06:30 Uhr am Morgen: Auf dem Gras glitzern Tautropfen, Vögel zwitschern. Durchbrochen wird die Stille von Klappern: Die Männer des Panzergrenadierbataillons 122 aus Oberviechtach drücken Patronen in Magazine. Sie treffen Vorbereitungen für ein Gefechtsschießen auf dem Truppenübungsplatz Bergen in Niedersachsen. Noch üben sie hierzulande - doch die Zukunft des Bataillons liegt im Baltikum.
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Neuer Verband soll 2027 einsatzbereit sein
Die Panzergrenadiere sollen Teil jener Brigade werden, die Deutschland dauerhaft in Litauen stationiert. Seit Kurzem trägt sie offiziell den Namen "Panzerbrigade 45", einsatzbereit soll sie bis Ende 2027 sein. Fast 5.000 Soldatinnen und Soldaten sollen einmal zu dem neuen Verband gehören. Aktuell bereiten die ersten die Stationierung vor Ort vor.
Für die Aufstellung zeichnen sich laut Heeresangaben vier bis sechs Milliarden Euro an Kosten für einmalige Rüstungsausgaben ab. Die jährlichen Betriebskosten werden auf etwa eine Milliarde Euro pro Jahr geschätzt, wenn die Brigade voll aufgestellt ist. Für die Infrastruktur kommt Litauen auf.
"Passt auf, da steht jemand."
Hauptfeldwebel Alex aus Oberviechtach ist überzeugt: Das ist eine sinnvolle Abschreckungsmaßnahme. "Wir wollen ja nicht, dass es zum Krieg kommt. Wir wollen damit zeigen: Passt auf, da steht jemand. Das wird nicht einfach." Den Alex Nachnamen nennen wir auf Bitten der Bundeswehr nicht. Das gilt auch für andere Soldaten, die hier zu Wort kommen.
Vor rund 20 Jahren kam Alex als Wehrpflichtiger nach Oberviechtach und blieb. Nun mit nach Litauen zu gehen, für ihn "selbstverständlich": "Wir sind Soldaten. Wir sind keine normalen Arbeitnehmer. Da haben wir besondere Herausforderungen und das kann man auch von uns erwarten. Soldat zu sein ist eine Berufung."
Was wird aus den Familien?
Doch trotz seiner Überzeugung stellen sich für ihn Fragen. Alex stellt sich auf eine Fernbeziehung mit seiner Frau ein – es wäre nicht das erste Mal in seiner Laufbahn. Nach Litauen will er zunächst alleine gehen. Ein Sohn des Paares beginnt bald eine Ausbildung. "Bis er die nicht abgeschlossen hat, braucht er jemanden hier vor Ort", sagt Alex.
Die Gedanken des Hauptfeldwebels sind dabei durchaus exemplarisch für erfahrene Soldatinnen und Soldaten. Auch Stabsfeldwebel Tobias – Vater von drei Kindern – hat so ein Modell im Auge. "Ich weiß, warum wir da rübergehen", sagt er: "Ich will nicht, dass wir den Krieg hier in Oberviechtach vor der Haustür haben. Lieber halten wir dort etwas auf."
Gesetzespaket bereitet Stationierung vor
Umfassende Regelungen für die Stationierung hat noch der alte Bundestag verabschiedet. Ein Gesetzespaket zur Stärkung der Einsatzbereitschaft der Bundeswehr regelt unter anderem Versorgungsansprüche oder Zulagen für Partner, die mit umziehen. Außerdem können Überstunden nun ausbezahlt werden. Ein wichtiges Detail in einer Armee, die ihre Einsatzbereitschaft hochhalten soll, dabei aber Arbeitszeitvorgaben berücksichtigen muss.
Keine rein deutsche Brigade
Ein Sprecher des Heeres erklärt auf BR-Anfrage, der Aufwuchs der Brigade verlaufe nach Plan. Im Februar 2026 werden ihr die rotierenden Truppen der bestehenden multinationalen Nato-Mission in Litauen unterstellt. Ab Mitte 2026 sollen rund 2.000 Männer und Frauen zur Brigade gehören. Die noch in Deutschland stationierten Einheiten sollen ab 2026 im Land üben.
Als zentrale Herausforderung gilt Beobachtern der angedachte Aufbau eigener Unterstützungseinheiten, die unter anderem für Logistik oder Aufklärung zuständig sind. Dafür braucht es Material und Personal. Die Frage, wie sich der Verband gegen Bedrohungen aus der Luft schützen soll, ließ der Heeressprecher unbeantwortet.
Wann geht es los?
Für die Männer aus Oberviechtach ist indes die Frage nach dem Zeitpunkt der eigenen Verlegung zentral. So richtig sagen kann das dem Vernehmen nach noch niemand. Wohl auch, weil in Litauen noch Kasernen gebaut werden müssen.
Planungssicherheit ist aber vor allem für jene entscheidend, die mitwollen. Denn die Brigade soll sich aus Freiwilligen rekrutieren. Und klar ist: Umso später die Stationierung erfolgt, umso wahrscheinlicher wird es, dass manch aktueller Interessent abspringt.
Soldaten aus Bayern in Vilnius
Ein öffentlicher Aufstellungsappell in Vilnius heute ist ein symbolischer erster Schritt. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) werden erwartet. Aus Oberviechtach sind rund 100 Soldaten dabei. Auch Hauptfeldwebel Alex. Der Appell sei "wieder ein Schritt in Richtung Litauen". Einer, der klarmache, wohin es in der Zukunft geht.
Im Video: Bundeswehr-Brigade in Litauen in Dienst gestellt
In Litauen beginnt heute ein neues Kapitel in der Geschichte der Bundeswehr, um die Ostflanke der NATO zu sichern.
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